Forth ist eine leistungsfähige Programmiersprache. Sie kommt sowohl zum Erstellen von Programmen für einfache Steuerrechner als auch für Workstations und Großrechner zum Einsatz. Die Vielfalt von Applikationen die mit ihr erstellt wurden umfasst u. a. Tabellenkalkulationen, Experten-Systeme, verteilte Echtzeit-Steuerungen und Datenbanken. Eine moderne Anwendung für Forth ist das Konzept der Open Firmware (IEEE-1275).
Forth wurde 1969 von Charles Moore entworfen. Es verbreitete sich rasch unter Mikroprozessor-Programmierern. Diese zunächst noch informelle Forth-Gesellschaft brachte ihre Anregungen ein in die entstehende Forth Interest Group (fig). So wurde 1977 ein erster Standard formuliert, das Forth-77, und die fig gab modellhaft Implementationen für verschiedene Prozessortypen heraus - das legendäre fig-Forth. Viele Forth-Systeme für neuere Prozessoren sind aus dem fig-Forth hervorgegangen.
1994 wurde Forth als American National Standard formuliert, dem die Forth-Systeme nun oft entsprechen - DPANS. Eine Übersicht über die Entwicklung ist im Forth Familiy Tree von Anton Ertl, TU Wien, zu sehen.
Inzwischen gibt es den Entwurf für einen weiteren Forth-Standard, der auf ANS Forth aufbaut, und neue Herausforderungen wie UTF-8 und ähnliches löst, Forth200x. Dieser Standard ist zur Zeit zur öffentlichen Begutachtung ausgelegt, der Prozess wird aber kontinuierlich weitergeführt.
Forth basiert auf dem Konzept einer Zwei-Stackmaschine. Jegliche Datenverarbeitung wird auf dem sogenannten Datenstack ausgeführt; alle Forth-Operatoren entnehmen ihm ihre Aufrufparameter und hinterlassen auf ihm die Ergebnisse. Der Datenstack dient so zur Parameterübergabe zwischen den Operatoren. Als Konsequenz dieser Arbeitsweise verwendet Forth eine Postfix-Notation für die Reihenfolge von Parametern und Operatoren.
3 5 + 7 * . <cr> 56 ok
legt interaktiv zuerst die Zahl 3
auf den Stack und danach die Zahl 5
darauf. Das +
(eine elementare Forth-Operation) wird aufgerufen, addiert beide Werte und ersetzt sie auf dem Stack durch das Ergebnis (8
). Nachfolgend wird 7
auf den Stack gelegt und mittels *
das Ergebnis berechnet. Der Operator .
gibt schließlich den obersten Stackeintrag auf dem Schirm als Integerzahl aus. Mit dem abschließenden ok
zeigt Forth an, dass die Zeile verarbeitet und das System für neue Aufgaben bereit ist.
Der zweite Stack, Returnstack genannt, speichert die Rückkehrinformationen bei verschachteltem Aufruf von Unterprogrammen, d. h. sobald ein Forth-Wort weitere aufruft.
Forth bietet eine interaktive Arbeitsweise bei Programmentwicklung und -test. Der Quellcode besteht aus einzelnen Sequenzen, die durch einen Compiler zu Unterprogrammen, genannt Worte, übersetzt werden. Neu erstellte Worte sind dem schon vorhandenen Basiswortschatz eines Forth-Systems gleichgestellt und erweitern damit den verfügbaren elementaren Wortschatz um leistungsfähigere und problembezogene Komponenten.
Alle Worte lassen sich mit Parametern versehen (indem man diese auf dem Stack bereitstellt), über einen Interpreter aufrufen und die Ergebnisse inspizieren. Da Compiler und Interpreter gemeinsamer Bestandteil eines Forth-Systems sind, erlaubt dies einen sehr kurzen Edit-Compile-Test-Zyklus und ermutigt dadurch zu einer inkrementellen Arbeitsweise, bei der jeweils einzelne Worte neu hinzugefügt und komplett ausgetestet werden, ehe eine weitere Definition auf diesem Wort aufbaut. Ebenso kann man auf diese Weise Hardwareeinheiten des Rechners per Kommando ansprechen, kurze Codesequenzen austesten u. v. m. Dies erlaubt es, sich einem neuen unbekannten Problem (Hard- oder Software) interaktiv zu nähern, mit ihm zu experimentieren.
: Quadrat ( n ¨C n^2 ) DUP * ;
Hier wird mit dem :
die Definition eines neuen Forth-Wortes eingeleitet. Es erhält den Namen Quadrat
. Der in Klammern stehende Kommentar drückt aus, daß das Wort auf dem Stack eine Zahl n erwartet und deren Quadrat n^2 hinterlässt. Die folgenden Worte bis zum die Definition beendenden ; werden in das neue Forth-Wort kompiliert und bilden dessen Funktionalität.
Das neue Forth-Wort läßt sich mit
7 Quadrat . <cr> 49 ok
sofort auf korrekte Funktion testen und nachfolgend in weiteren Definitionen verwenden.
Intern werden Forth-Worte in einem Wörterbuch (Dictionary) verwaltet. Dieses lässt sich thematisch in unterschiedliche Wortlisten (Wordlists oder Vocabularies) gliedern. Zu jedem Wort gehören sein Name, einige Statusflags und je ein Verweis auf zugehörige Daten und auszuführenden Code.
Forth arbeitet immer in einem von zwei Modi; Interpretation oder Compilation. Ein Textinterpreter verarbeitet den Eingabestrom, der von Tastatur oder einem Massenspeicher kommt, und zerlegt ihn in eine Folge von durch Leerzeichen getrennte Zeichenketten. Diese Zeichenketten werden im Wörterbuch gesucht und im Interpretermodus wird ihr zugehöriger Code aufgerufen. Zahleneingaben werden entsprechend konvertiert und auf dem Stack abgelegt. Der :
(Colon) ist ein Forth-Wort wie alle anderen; er legt jedoch einen neuen Wörterbucheintrag mit dem Namen des neuen Wortes an und schaltet den Compilermodus ein. Nun werden für die meisten Worte aus dem Eingabestrom entsprechende Aufrufe in das neu angelegte Wort kompiliert. Demzufolge besteht ein kompiliertes Forth-Wort aus einer Folge von Aufrufen anderer Wörter, die dann entsprechend abgearbeitet werden.
Einige Worte mit einem speziellen Immediate-Flag werden im Compilermodus nicht kompiliert sondern statt dessen ausgeführt. Diese Immediate-Worte sind Compiler-Hilfsworte, die dem Aufbau spezieller Sprachkonstrukte dienen. Ein IF
kompiliert z. B. eine entsprechende Sprungstruktur in das neue Wort. Das abschließende THEN
(in älteren Dialekten manchmal ENDIF
) kann dann auf eine korrekte Verschachtelung prüfen und Sprungziele auflösen. Ein weiteres Immediate-Wort ist das ; welches die Definition beendet und das System zurück in den Interpretermodus versetzt. Da der Programmierer selbst Immediate-Worte schreiben kann, hat er damit die Möglichkeit auch den Compiler selbst zu erweitern.
Eine weitere Besonderheit sind Definitionsworte, die zur Erzeugung von Datenstrukturen verwendet werden. Sie kombinieren einen CREATE
-Teil, in dem alle Aktionen beschrieben werden, die zum Anlegen der neuen Datenstruktur erforderlich sind (Reservierung von Speicher, Initialisierung, …) mit einem DOES>
-Teil, in dem das Laufzeitverhalten der aller mit diesem Wort erzeugten Datenstrukturen beschrieben werden kann.
Forth-Systeme existieren in unterschiedlichen Ausbaustufen.
Vor allem in Steuerrechnern mit i.d.R. eingeschränkten Ressourcen, findet man oft recht einfache, kompakte Forth-Systeme, oft nur einige KiloByte groß. Sie verfügen i.d.R. zumindest über einen Grundwortschatz sowie über Interpreter und Compiler, was vor allem für Inbetriebnahme, Diagnose und Fehlersuche sehr nützlich ist.
Ausgebaute Forth-Systeme verfügen darüber hinaus über eine Vielzahl von Werkzeugen zur komfortablen Lösung auch komplexer Probleme. Dazu gehören u.a. ein Maschinencode-Assembler zur Definition zeitkritischer Routinen, ein Quelltexteditor, Debugging-Werkzeuge oder gar ein Multitask-Scheduler. Derartige Systeme erreichen leicht einen Umfang von einigen hundert KiloByte und bieten dem anspruchsvollem Nutzer eine hervorragende Arbeitsbasis.